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52 7409

Güterzugdampflokomotive

Foto: Werner Brutzer - 52 7409 in Linz am 10.05.1975

 

Nicht auf den Sokel

Der Kauf der E 44 150 und die Folgen – DGEG Urgestein Joachim Kraus erinnert sich

Das Ende der Baureihe E 44 (144,145) im Bestand der Bundesbahn nahte 1983, alle irgendwie noch Brauchbaren waren im Bw Würzburg zum Auskaufbetrieb zusammengezogen. Im Rangierbahnhof stand dazu eine lange Reihe bereits z-gestellter Exemplare. Im Museumsprogramm der Deutschen Gesellschaft für Eisenbahngeschichte war auch die Beschaffung einer E 44 vorgesehen, es war „Höchste Eisenbahn“ einen Kaufvertrag zu stellen. Nach Zustimmung der DB-Hauptverwaltung konnten Helmuth Hombach und ich als Zuständiger eine fürs Museumsprogramm geeignete E 44 auswählen und innerhalb der Bw-Ausfahrsignale eigenhändig probefahren. Unsere Wahl fiel auf die E44 150, welche nach zähne Preisverhandlungen für das DGEG-Museum in Neustadt/Weinstraße erworben wurde.

Als der B-Gruppenleiter im Bw Würzburg erfuhr, dass die Lokomotive nicht als Denkmal für die bedeutende Eisenbahnerstadt Würzburg von uns erworben wurde, stellte er an die Stadt Würzburg den Antrag auf Erwerb und Aufstellung einer Denkmallokomotive. Die örtliche Tagespresse griff das Thema auf und es folgten über Wochen hinweg umfangreiche Artikel über für und wider eines Lokdenkmals. Nach vielen Stadtratdiskussionen fand das Projekt seine Zustimmung, doch es sollte unbedingt eine Dampflokomotive und keine Elektrolokomotive sein. Von der DB war eine Dampflokomotive nicht beschaffbar, der Kauf einer DR-Dampflokomotive wie von mir vorgeschlagen war aus politischen wie auch finanziellen Gründen nicht gewünscht.

 

Suche Enttäuschung und Erfolg

Durch gute Kontakte des DB-Generalvertreters (GV) in Würzburg zur ÖBB wurden der Stadt seitens der Generalvertretung in Wien acht abgestellte Lokomotiven der Baureihe 52 aus der strategischen Reserve für Streckenblockierung angeboten. Nun ist es Pflicht fürsorglicher Stadträte, Studienfahrten vor einer allfälligen Entscheidung über geplante Erwerbe zu unternehmen. So wurde eine dreitägige Studienreise ab dem 21. Februar 1984 nach Österreich anberaumt, an welcher neben zwei Stadträten der Vorsitzende des LVW (Lokführerverein Würzburg), der B-Gruppenleiter und ich als Sachkundiger teilnehmen. Die Reise führte über St. Valentin – hier Besichtigung der 52 4522 und einiger Wannentender – und die linke Donauuferbahn nach Krems – hier Besichtigung der 52 3315. Am nächsten Tag standen in Heiligenstadt 652 6967 und 52 7102, danach im Wiener Nordbahnhof 52 7116 und 52 8000 zur Besichtigung zur Verfügung. Gerne nahmen wir dann die Einladung des uns in Wien begleitenden ÖBB-Sektionschefs zu Stadtbesichtigung und anschließendem Heurigenabend an.

Am nächsten Tag Rückfahrt. Sofort schrieb ich zur Vorlage beim Stadtrat über jede der 52er ein ausführliches Zustandsprotokoll. Leider konnte keine der besichtigten Lokomotiven zum Ankauf empfohlen werden, entweder war der Gesamtzustand zu schlecht oder es fehlten zu viele Einzelteile.

Durch kameradschaftliche Beziehungen zwischen Würzburger und Linzer Lokführerverein erhielten wir einen Hinweis auf die in Linz abgestellte 52 7409. Diese war für die ÖGEG reserviert, die jedoch mit einem Ankauf zögerte. Wiederum durch Vermittlung des Würzburger DB-Generalvertreters erklärte sich die ÖBB-Generaldirektion bereit, 52 7409 der Stadt Würzburg anzubieten, wobei jedoch eine schnelle Kaufentscheidung erbeten wurde. Also fuhren am 22. März 1984 wieder zwei Stadträte, der Vorsitzende des LVW und der DB-Generalvertreter mit mir nach Linz, wo ich nach gründlicher Befundung die Lokomotive als für den Ankauf geeignet empfahl. Nach sofort in die Wege geleiteten Preisverhandlungen zwischen Stadt Würzburg und ÖBB-Generaldirektion mit Tatkräftiger Unterstützung seitens des DB-GV konnte eine sehr günstiger Kaufpreis ausgehandelt und nach sofortigem Stadtratsbeschluss die 52 7409 erworben werden.

Dank tatkräftiger Unterstützung der Kollegen vom Linzer Lokführerverein gelang es, auch einige fehlende Teile aus ÖBB-Beständen zu organisieren sowie den für Deutschland unpassenden Kabinentender gegen einen der in St. Valentin stehenden Wannentender zu tauschen. Ach fand sich zum Ersatz der Giesl-Saugzuganlage ein passender Normalschornstein mit Blasrohr.

 

Ins Land der Franken fahren

Nachdem 52 7409 durch die Linzer Kollegen lauffähig hergerichtet und die meisten von uns gewünschten Teile beschafft waren, brachte die ÖBB die Lokomotive zur Übergabe frei Grenze nach Passau. Per DB-Fernschreiben vom 8. August 1984 erhielt ich für die Überführung nach Würzburg am Freitag 10. / Samstag 11. August 1984 die Fahrplananordnung 455: es verkehrte gag 77018 (67.8) von Passau Hbf nach Würzburg Hbf, gesamtlast 10x, 120 t, hg 30 km/h, 20 mbr, abfahrt Passau 23:40 i, sdpl., Ankunft Würzburg Hbf 20.10, Tfz E-lok 140 Gesamtstrecke, Tfz Passau bis Regensburg Hbf, Regensburg bis Nürnberg Rbf, Nürnberg bis Würzburg Hbf.

Rund 20 Kilo Werkzeug und 30 Liter Motoröl waren nun einzupacken um für alles gerüstet zu sein. Mit D 275, Würzburg ab 19.03 Uhr fuhren am Freitag 10. August 1984 nach Feierabend Helmuth Hombach, Manni Müller und ich schwer bepackt nach Passau, an 22.46 Uhr. Hinter Plattling ließen wir über ZBF darum bitten, uns doch bitte mit einer Rangierlok vom Bahnsteig zum Bw zu bringen; tatsächlich stand eine V60 am anderen Bahnsteig bereit und fuhr uns zum Bw! Nach Anmeldung in der Lokleitung erhielten wir die „Papiere“, dann ging es ans Abölen, während Helmut Hombach außen die Kuppelstangen ölte, kroch ich zwischen Bremsgestänge und Schotter längs der gesamten Lokomotive – um die Achslager abzuölen, leider war keine Gleisgrube nutzbar. Bald kam mit 140 122 unsere Zuglokomotive, die nur über Schraubenkupplung mit 52 7409 verbunden werden konnte, ein Anschluss an die Druckluftbremse war wegen fehlender Bremsschläuche und durchgerosteter Luftleitungen nicht möglich. Manni wurde dazu bestimmt auf der 140er mitzufahren, während Helmut und ich auf der Dampflokomotive blieben. Ein passender Gabelschlüssel wurde bereitgelegt, um notfalls die Spindelbremse des Tenders anziehen zu können, da das Handrad dafür fehlte.

Nach Fertigmeldung ging es mit 20 Minuten Verspätung endlich um 0.00 Uhr auf die Strecke. Der Führerstand war mit Glasscherben, Schottersteinen, Holzresten usw. total vermüllt, Fensterscheiben waren nicht mehr vorhanden, eine Sitzgelegenheit bestand nicht, zudem hatte der Tender an allen Radsätzen Flachstellen, die für Begleitmusik sorgten – nicht gerade angenehme Voraussetzungen für eine stundenlange Überführungsfahrt. Gerne hätte ich nach etwa einer halben Stunde die Lagertemperaturen überprüft, aber „grüne Welle“ mit 30 km/h immer weiter, endlich in Plattling um 01.47 Uhr Einfahrt auf Hp 2. Nach Halt gleich alle Lager abfühlen, alles kalt. Der verspätete D 224 und zwei Güterzüge überholen uns, währenddessen habe ich in der Nähe einen alten Besen entdeckt, und schnell war der gröbste Müll aus dem Führerstand gefegt.

 

Eine Stunde vor Plan

Um 09.27 Uhr wird Neumarkt Oberpfalz, inzwischen durch verlegte Überholung eine Stunde vor Plan erreicht. Der Magen knurrt, Manni wird losgeschickt bei einem Metzger eine Runde LKW (für Nichtfranken: Leberkäsweck) zu besorgen. Um 10.20 Uhr geht es weiter über Nürnberg Rbf und Ansbach, beim Halt in Steinach bei Rothenburg stellen wir erstmals eine geringe Erwärmung am rechten Kuppelstangenlager der zweiten Kuppelachse fest. Die Schmiernadel hat sich verklemmt, Sie wird kurz an der Hose abgewischt und ein bisschen nachgebogen, und schon ist wieder alles in Ordnung. Obwohl die DB-Lokführer stets genau die 30 km/h einhielten sind wir wieder reichlich eine Stunde vor Plan. Genau um 19.00 laufen wir im Bw Würzburg ein, wo wir von zwei Mitgliedern des LVW empfangen werden, die mit einer V 60 gleich unsere 52 7409 in die Werkstatthalle rangieren. 351 Kilometer in genau 19 Stunden ohne Nachölen, ohne Lagererwärmung, das Fahrwerk muss gut sein! Für uns DGEG-ler sind daheim dann gut 40 Stunden seit dem letzten Aufstehen ohne Schlaf beendet.

Da die aktivsten der Würzburger DGEG-Gruppe an Wochenenden hauptsächlich im Jagsttal engagiert waren wurde der Dienstagabend als Arbeitstag festgelegt. Durch die Arbeit vor Ort konnten einige Teilnehmer am DGEG-Stammtisch neu für eine Gelegentliche Mitarbeit gewonnen werden. Die Stadt schloss mit der DB einen Nutzungsvertrag über zwei Stände im Haus III, die wir für die Aufarbeitung nutzen konnten.

 

Harte Arbeit und kein Lohn

In den DGEG-internen Medien wurde über die Aufarbeitung der 52 7409 über die Jahre hinweg ausführlich berichtet. Hier erklären außerdem oft ein paar aussagekräftige Bilder mehr als tausend Worte. Machen wir es also kurz: Wir haben die 52 7409 im Haus III in alle Einzelteile zerlegt, alle Teile dokumentiert und der Aufarbeitung oder erforderlicher Neuanfertigung zugeführt. Um den abgehobenen Kessel weiterhin bewegen zu können würde dieser auf einem Ks-Wagen aufgebockt und auf einem Freistand sandgestrahlt. In der ehemaligen Lokwerkstadt an der östlichen Bw-Ausfahrt konnte auf der alten Achssenke nacheinander jeweils ein Radsatz ausgebaut werden.

Bei all den Arbeiten stellte sich heraus, dass trotz starker Korrosionsschäden und einiger fehlender Teile die Grundsubstanz der Großteile wie Kessel, Blechrahmen und Triebwerk in einem Zustand war, der eine betriebsfähige Wiederherstellung der 52 7409 rechtfertigen würde. Dieses Vorhaben wurde dem Stadtrat vorgetragen mit der Bitte um Zustimmung. Inzwischen wusste auch die Stadtverwaltung nicht mehr so recht, wohin mit dem Lokomotivdenkmal. Der ursprünglich angedachte Standplatz im Eisenbahnerviertel Grombühl erwies sich als ungeeignet, die Lokomotive war zu schwer für das unter dem Wagnerplatz liegende Trinkwasserreservoir. Auf dem Bahnhofsvorplatz wollte man die Lokomotive auch nicht haben, stand da schon der Kiliansbrunnen. Eine Aufstellung im freien hätte auch Folgekosten (Rostschutz, Überdachung, Einzäunung) erfordert, die man sich ersparen wollte. So wurde unserem Ansinnen stattgegeben. Dies bedingte jedoch nun einen wesentlich umfassenderen Arbeitsaufwand unsererseits.

 

14 Jahre Instandsetzung

Nach fast 14 jähriger Instandsetzung kam 52 7409 für restliche kesselarbeiten, die in Würzburg mangels geeigneter Einrichtungen nicht vorgenommen werden konnten, in das AW Meiningen. Dort wurden nach Abschluss der Restarbeiten alle erforderlichen Prüfungen an der Lokomotive vorgenommen und die 52 7409 konnte mit eigener Kraft nach Würzburg überführt werden. Dort erteilte der Landesbevollmächtigte für Bahnaufsicht beim EBA, Außenstelle München am 5. September 1998 die endgültige Betriebsgenehmigung.

Seitdem ist die 52 7409 über zahlreiche Strecken vor allem Süddeutschlands gedampft. In einem späteren Artikel wird über die nun folgende Jahre der Lokomotive bei der DGEG e. V. berichtet werden; vorzugsweise dann, wenn für den erfolgreichen Abschluss der derzeit laufenden Reparatur/Untersuchung Vollzug gemeldet werden kann.